Jul 25, 2022 | Privates Baurecht

Baukostenüberschreitung Haftung des Architekten und Schadensersatz für Bauherren

Die Frage, ob der Architekt wegen Baukostenüberschreitung in die Haftung genommen werden kann, wird von der Rechtsprechung (BGH) mit strengen Anforderungen beantwortet.

Maßgeblicher Ausgangspunkt für eine Haftung des Architekten bei Baukostenüberschreitung ist der zugrunde liegende Architektenvertrag. Im ersten Schritt sollte der Bauherr prüfen, welchen Inhalt er mit dem Architekten vertraglich vereinbart hat. Zwingende Voraussetzung dafür, dass ein Architekt für eine Kostensteigerung in die Haftung genommen werden kann, ist die Vereinbarung eines bestimmten Baukostenbetrages. Die Parteien können im Wege des Architektenvertrages durch nachfolgende Regelungen eine maximale Baukostengrenze vereinbaren:

Baukostenobergrenze durch vertragliche Vereinbarung

Maßgeblich ist der Wortlaut des Vertrages, um beurteilen zu können, was die Parteien vereinbaren wollten. Lediglich die einseitige Annahme des Bauherrn, dass er von einer bestimmten Baukostenobergrenze ausgegangen sei, genügt nicht, um den Architekten in die Haftung zu nehmen. Vielmehr ist erforderlich, dass zwischen Architekt und Bauherr eine konkrete Baukostenobergrenze in Form eines Euro-Betrages definiert wird.

Aus unserer Beratungspraxis können wir mitteilen, dass in den bisher entschiedenen Fällen Formulierungen wie „absolute Obergrenze“, „maximaler Preis“ oder „nicht mehr als… Euro“ ausreichend gewesen sind, damit von einer vereinbarten Baukostenobergrenze ausgegangen werden kann.

Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob die lose Übersendung fertiger Planungsunterlagen an den Architekten bereits das Erfordernis einer vereinbarten Baukostenobergrenze erfüllt. Im Zweifel ist dies kritisch zu betrachten. Hierbei müsste weiter berücksichtigt werden, ob es weitere Korrespondenz und/oder Schriftverkehr zwischen den Parteien gibt, aus denen sich im Nachgang zum abgeschlossenen Architektenvertrag ergibt, dass die Parteien sich auf eine gewisse Kostenobergrenze geeinigt haben.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass für einen wirksamen Einbezug einer Kostenobergrenze entscheidend ist, dass sich beide Parteien (Bauherr und Architekt) hierauf verständigt und darüber geeinigt haben. Eine bloß einseitige Erwartung oder Annahme des Bauherrn, man habe sich darüber verständigt, genügt hierfür in jedem Falle nicht. Der Bauherr ist für diesen Umstand beweisbelastet.

Baukostengarantie

Bei einer sogenannten Baukostengarantie übernimmt der Architekt vertraglich ausdrücklich die Garantie dafür, dass eine vorgegebene Baukostenobergrenze eingehalten wird.
Bei einer solchen Garantie würde es sich um die für den Bauherren vorteilhafteste Vereinbarung über ein Baukosten-Soll handeln. Innerhalb unserer langjährigen Beratungspraxis gibt es bis dato jedoch keinen einzigen Fall, dass ein Architekt eine solche Garantie abgibt, da er selbst oftmals die Entwicklung der Baukosten nicht beeinflussen kann.

Vertragliche Abrede als Beschaffenheitsvereinbarung

Bei der vertraglich vereinbarten Baukostenobergrenze handelt es sich um eine sogenannte Beschaffenheitsvereinbarung. Die Beschaffenheitsvereinbarung in Form der einzuhaltenden Kostenobergrenze stellt ein vereinbartes Bau-Soll dar. Sofern dieses nicht eingehalten wird, handelt es sich um eine mangelhafte Leistung des Architekten, die wiederum zur Folge hat, dass der Bauherr bei Überschreitung der Kostenobergrenze Schadensersatz verlangen kann.

Haftung des Architekten – auf den Schaden kommt es an!

Der Bauherr ist berechtigt, vom Architekten Schadensersatz zu fordern, wenn dessen verschuldetes Verhalten zu einem Schaden beim Bauherrn geführt hat. Dieser Schaden zeigt sich überwiegend dadurch, dass die Baukosten gestiegen sind.

Haftet der Architekt für alle entstandenen Mehrkosten?

Klare Antwort: Nein!

Der Architekt kann nicht für sämtliche entstandenen Mehrkosten herangezogen werden. Der Architekt haftet für Umstände, die er selbst eigenverantwortlich zu vertreten hat. Bei der Ermittlung des Schadensersatzes ist daher Vorsicht geboten.

Auch wenn ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach gegenüber dem Architekten besteht, muss hinsichtlich der Schadenshöhe konkret durch Einzelfallbetrachtung entschieden werden, welche Positionen der Mehrkosten vom Architekten zu vertreten sind.

Wofür ein Architekt NICHT haftet

Folgende Umstände möchten wir aus unserer Beratungspraxis zusammenfassen, die eine Haftung des Architekten entfallen lassen:

1. Materialpreissteigerungen

Für Preisanstiege bei Baumaterial kann der Architekt grundsätzlich nicht in die Haftung genommen werden.

2. Durch verteuerte Bauausführung erhält Bauherr einen äquivalenten Gegenwert

Auch wenn die Bauausführung teurer geworden ist, als dies ursprünglich geplant war, kann eine Haftung des Architekten entfallen, wenn der Bauherr einen äquivalenten Gegenwert durch die verteuerte Bauausführung erhält. Dies kann beispielsweise in Form einer gesteigerten Qualität der Bauleistungen oder der Baumaterialien der Fall sein. Ausnahme hiervon ist, dass zwischen den Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung in Form der Baukostenobergrenze vereinbart worden ist.

3. Toleranzgrenzen

Toleranzgrenzen hinsichtlich der Kostenüberschreitung sind bei der Schadensberechnung zu beachten: Der BGH geht davon aus, dass zumindest eine Kostenüberschreitung von mehr als 16 % als Fehleinschätzung des Architekten gewertet werden kann und nicht mehr innerhalb der zugebilligten Toleranzgrenze liegt.

4. Wertsteigerung des Grundstücks während der Bauausführung

Je nach Bauzeit kann eine Wertsteigerung des Grundstücks während der Bauphase auch dazu führen, dass ein eingetretener Schaden (durch verteuerte Bauausführung) dadurch zumindest in Teilen kompensiert werden kann, dass das Grundstück eine Wertsteigerung erfahren hat.

Hinweispflichten des Architekten – So erhält der Bauherr einen Schadensersatz!

Der Architekt ist verpflichtet, den Bauherrn unverzüglich nach Kenntnis darüber zu unterrichten, dass der geplante Baukostenrahmen bzw. die angesetzten Baukosten sich erhöhen werden. Der Architekt unterliegt insofern einer Auskunftspflicht gegenüber dem Bauherrn.

Sofern der Architekt entweder dieser Auskunftspflicht nicht nachkommt oder aber sogar zusätzliche Aufträge, Änderungen der geplanten Bauweise oder Nachträge zum Bauvertrag ohne Absprache mit dem Auftraggeber gegenüber den Handwerkern erteilt, haftet er hierfür. Hierdurch entstehende Baumehrkosten sind in Form des Schadensersatzes vom Architekten zu tragen, der Bauherr hat einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem ausführenden Architekten.

Handlungsempfehlung und Praxishinweis

Aus unserer alltäglichen Beratungspraxis können wir als dringende Empfehlung künftigen Bauherren nur anraten, den Architektenvertrag klar und transparent auszugestalten. Hierbei kommt es maßgeblich auf die Formulierung der Vertragsklauseln an. Hinsichtlich der anzusetzenden Baukosten sollte vermieden werden, eine Formulierung wie „die Baukosten belaufen sich voraussichtlich geschätzt ca. auf € ….“.

Verwenden Sie als Bauherr klare Angaben hinsichtlich des zu erbringenden Bau-Soll‘s. Definieren Sie eine klare Baukostenobergrenze innerhalb des Architektenvertrages. Verdeutlichen Sie hinsichtlich der anzusetzenden Baukosten, dass es sich hierbei um eine klare Obergrenze sowie einen Maximalbetrag handelt.

Vermeiden Sie unklare oder auslegungsfähige Formulierungen innerhalb der vertraglichen Grundlagen, damit es zum späteren Zeitpunkt nicht zu Ungereimtheiten während der Bauausführung kommt.

Autor: Finn Streich

Rechtsanwalt und Partner

Privates Baurecht

Soforthilfe vom Rechtsanwalt

Möchten Sie mit einem Anwalt sprechen und sich über Ihre Möglichkeiten informieren oder brauchen Sie eine schnelle rechtliche Beratung? Dann rufen Sie an oder kontaktieren Sie uns an.

Insolvenz Bauträger

Die Bau- und Immobilienwirtschaft in der Krise Das Wichtigste kurz und knapp vorab Der Insolvenzantrag kann von jedem Baubeteiigten gestellt werden, wenn konkrete Fakten für eine Zahlungsunfähigkeit vorliegen Eine offene Kommunikation zwischen den Vertragspartnern ist...

Baufirma insolvent

So müssen Bauherren jetzt vorgehen! Nahezu täglich erhalten wir Anfragen von besorgten Bauherren, die kurz vor oder während ihrer Bauphase von der plötzlichen Insolvenz Ihrer Baufirma betroffen sind. In diesem Beitrag möchten wir konkret auf diese neue Situation der...

Die häufigsten Baumängel

Wichtige Fakten vorab Baumängel sind Abweichungen vom vertraglich vereinbarten und geschuldeten Soll-Zustand Kaum ein Neubau wird mangelfrei hergestellt Man unterscheidet wesentliche und unwesentliche Baumängel bei der Geltendmachung von Ansprüchen versteckte...

Widerrufsbelehrung Handwerk

Das passiert, wenn Handwerker ohne Widerrufsbelehrung oder zu schnell mit der Arbeit beginnen Kurz und knapp das Wichtigste vorab eine Widerrufsbelehrung ist nur bei Verbrauchern als Kunden relevant, bei Gewerbekunden gilt kein Widerufsrecht nur, wenn der Auftrag...

Bauüberwachung

Objektüberwachung, Bauüberwachung, Bauleitung, Bauoberleitung - Begriffe, die alle dasselbe meinen? Auf Baustellen gibt es ein oberstes Gebot: Mängel gilt es zu vermeiden. Wo Menschen Arbeiten ausführen, da passieren Fehler. Dies soll möglichst vermieden werden und...

Bauvertrag notarielle Beurkundung

Muss der Bauvertrag notariell beurkundet werden? Bauvertrag notarielle Beurkundung: Grundsätzlich unterliegen lediglich Kaufverträge über Immobilien und Grundstücke der Pflicht, nach § 311 b BGB notariell beurkundet zu werden. Auch der Bauträgervertrag, mit dem sich...

Hausbau, Trennung & Scheidung

Liebe, Hausbau und Trennung Die Vorfreude auf das Eigenheim ist groß, doch dann folgt die Ernüchterung: ein Hausbau kann neben der enormen finanziellen Herausforderung auch eine Belastungsprobe für eine Beziehung darstellen. Was ist zu tun, wenn die Beziehung dem...

Insolvenz Baufirma

Der Dienstleistungsnehmer und Bauherr ist auf die Leistungsfähigkeit der beauftragten Baufirma zwecks Umsetzung des Bauvorhabens angewiesen. Was aber, wenn das Bauunternehmen während des Vertragsverhältnisses leistungsunfähig wird und das Bauvorhaben ins Stocken...

Videoüberwachung

Ist Videoüberwachung auf dem eigenen Grundstück erlaubt? Auf öffentlichen Plätzen sieht man immer wieder Überwachungskameras. Oftmals kann man dabei aber einmal einschätzen, ob die installierten Kameras funktionsfähig sind. Nicht alle Überwachungskameras blinken oder...

Bauverzug

Handlungsempfehlungen für Bauherren und Bauunternehmer Eine Übersicht von Rechtsanwalt Finn Streich Dieser Beitrag befasst sich mit einem der häufigsten Probleme auf Baustellen: Dem Bauverzug. Wir zeigen typische Ursachen auf, bieten wertvolle Tipps zur Vermeidung und...
error: Content ist geschützt!!