Nov 10, 2022 | Privates Baurecht

Bauverzug

Handlungsempfehlungen für Bauherren und Bauunternehmer

Eine Übersicht von Rechtsanwalt Finn Streich

Dieser Beitrag befasst sich mit einem der häufigsten Probleme auf Baustellen: Dem Bauverzug. Wir zeigen typische Ursachen auf, bieten wertvolle Tipps zur Vermeidung und zum Umgang mit diesem Problem und liefern wichtige Handlungsempfehlungen sowohl für Bauherren, als auch für Bauunternehmer.

Wann spricht man von „Bauverzug“?

Von Bauverzug ist dann die Rede, wenn vertraglich vereinbarte Bauleistungen durch den Bauunternehmer nicht innerhalb definierter Fristen erbracht werden.

Welche Probleme bringt Bauverzug mit sich?

Hierdurch auftretende Zeitverzögerungen können für Bauherren sehr teuer werden. Ein Umzug in das neue Eigenheim bedarf schließlich langfristiger Planung. So müssen möglicherweise Kündigungsfristen von Wohnung und/oder Garage eingehalten werden, eine Küche geplant und der Liefertermin vereinbart werden, Kinder an neuen Kindertagesstätten oder Schulen angemeldet werden, ein Umzugsunternehmen beauftragt werden, etc. Verzögert sich nun der gesamte Bauablauf und die Fertigstellung rückt immer weiter in die Ferne, kommen neben enormem Stress auch ein gutes Bündel Aufwand und schnell enorme Kosten auf die Bauherren zu. Möglicherweise muss für die Möbel eine Zwischenlagerstätte gefunden werden und eine Unterkunft angemietet werden, sollte die gekündigte Wohnung bereits neuvermietet sein und eine spontane Verlängerung der Anmietung nicht mehr möglich sein. Ein Bauverzug hat außerdem zur Folge, dass alle beteiligten Gewerke ebenfalls in einen Bauverzug geraten, der mit wirtschaftlichen Folgen verbunden ist. Seitens der beteiligten Bauunternehmen sind Termine und personelle Verfügbarkeiten straff getaktet und abhängig von passenden Zeitfenstern.

Wie kommt Bauverzug zustande?

Baufirmen und Handwerker haben derzeit Hochkonjunktur. Viele Unternehmer nehmen Aufträge ohne Vereinbarung eines konkreten Fertigstellungstermins an, um zunächst die Auftragsbücher gut gefüllt zu wissen. Dabei ist zu diesem Zeitpunkt häufig nicht klar, wann sie aufgrund ihrer Kapazitäten in der Lage sein werden, die Aufträge auch wirklich abzuarbeiten. Auch Materialengpässe, Lieferschwierigkeiten oder Unstimmigkeiten zwischen Bauherren und Bauunternehmen können Ursachen für Bauverzug sein. Bauverzug entsteht beispielsweise auch durch eine schlechte oder gänzlich falsche Ausführung eines Teilgewerkes (Baumangel), die vor weiteren Baumaßnahmen zunächst korrigiert werden muss. Kommen während der Bauphase noch Änderungs- oder Sonderwünsche seitens der Bauherren hinzu, kann auch hierdurch ein Bauverzug entstehen. Ein weiterer Grund für Bauverzug kann die sogenannte „höhere Gewalt“ sein. Dieser Begriff bekam besonders in der Baubranche während der Coronapandemie eine neue Bedeutung. Traf dies früher nur auf unvorhersehbare Ereignisse wie starke Unwetter, Blitzschlag oder Erdbeben zu, so konnten Bauunternehmen ihre vertraglichen Verpflichtungen durch staatlich angeordnete Ausgangsbeschränkungen oder Quarantänemaßnahmen zeitweise nicht erfüllen.

Kann man sich vor Bauverzug schützen?

Der beste Weg ist, bereits bei Abschluss des Bauvertrages auf eine gut strukturierte und klar definierte Bauzeitenregelung zu achten. Sowohl der Baubeginn, als auch die Fertigstellung sollten terminlich benannt werden. Vage Zeitraumangaben sollten unbedingt vermieden werden, da diese späteren möglichen Schadensersatzansprüchen der Bauherren im Wege stehen können. Bestenfalls werden im Bauvertrag sogar einzelne Zwischentermine vereinbart, an denen bestimmte Gewerke fertiggestellt sein müssen.

Wie sollten Bauherren reagieren?

1. Ungeachtet der Tatsache, ob der Bauvertrag schriftlich oder nur mündlich vereinbart wurde, ist der Auftragnehmer schriftlich aufzufordern, binnen einer angemessenen Frist seine Arbeit fertig zu stellen. Die Angemessenheit der Frist richtet sich danach, wie lange die Erbringung der Leistung üblicherweise dauert. 2. Wurde innerhalb dieser Frist die Leistung nicht oder nicht vollständig erbracht, muss eine zweite schriftliche Aufforderung an den Auftragnehmer erfolgen, in der ihm eine Nachfrist gesetzt wird verbunden mit dem Hinweis, dass ihm nach Ablauf der Nachfrist der Auftrag entzogen und ein anderer Auftragnehmer mit der Ausführung der Leistungen beauftragt wird. 3. Wurde die Leistung auch innerhalb der Nachfrist nicht erbracht, muss dem Auftragnehmer schriftlich erklärt werden, dass an der weiteren Leistungserfüllung durch ihn kein Interesse mehr besteht und ein anderer Unternehmer mit der Ausführung der Leistungen beauftragt wird. Der Hinweis, dass hierdurch entstehende Mehrkosten dem ursprünglichen Auftragnehmer angelastet werden, kann aufgenommen werden.

Wer kommt für die Folgen auf?

Der Auftraggeber ist keineswegs schutzlos dem Auftragnehmer ausgeliefert: Nach § 271 BGB ist der Auftragnehmer verpflichtet, nach Erhalt des Auftrags alsbald mit der Ausführung der Leistungen zu beginnen und diese zügig fertig zu stellen. Können Unternehmer ihre vertraglichen Verpflichtungen (möglicherweise unverschuldet, siehe „höhere Gewalt“) nicht einhalten, drohen ihnen Konsequenzen, die in einem zeit- und kostenaufwendigen Verfahren geklärt werden müssen.

Welche Vertragsstrafen gibt es?

Die Parteien eines Bauvertrages haben die Möglichkeit, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren. Diese wird regelmäßig für den Fall vereinbart, dass der Bauunternehmer mit seiner Leistung in Verzug gerät. Grundsätzlich sind Parteien frei, die Rahmenbedingungen einer Vertragsstrafe zu regeln. Folgende Zulässigkeitsvoraussetzungen sind jedoch zwingend von den Parteien zu beachten, damit die Vertragsstrafe rechtmäßig wirksam ist: 1. Zunächst einmal muss die Geltendmachung einer Vertragsstrafe bei jeder Bauabnahme vorbehalten werden. Der Auftraggeber muss daher ausdrücklich den Vorbehalt der Geltendmachung der Vertragsstrafe gegenüber dem Auftragnehmer äußern. Wird bei Abnahme oder Teilabnahme der Vorbehalt nicht erklärt, so verfällt der Anspruch und der Auftraggeber kann die Vertragsstrafe nicht weiter durchsetzen. Grund hierfür ist, dass durch die Bauabnahme erklärt wird, dass der Unternehmer die Leistung vertragsgerecht – und damit auch fristgerecht – erfüllt hat. Sollte die Leistungserbringung nicht fristgerecht erfolgt sein, hat die Bauabnahme die Wirkung, dass der Auftraggeber die Leistung dennoch als vertragsgerecht anerkennt, mit der Folge, dass die Voraussetzungen der Vertragsstrafe nicht vorliegen. Um diesem Umstand vorzubeugen, muss der Vorbehalt der Vertragsstrafe erklärt werden. 2. Die Höhe der vertraglich vereinbarten Vertragsstrafe darf einen maximalen Betrag von 5 % der Auftragssumme nicht übersteigen. Darüber hinaus darf die zulässige Obergrenze nicht höher als 0,3 % der Auftragssumme je Tag betragen. Sollte im Rahmen eines Bauvertrages eine höhere Vertragsstrafe vereinbart werden, so ist diese unwirksam. 3. Sofern die Vertragsstrafenregelung im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbart wird, ist zwingend darauf zu achten, dass die Vertragsstrafe an ein schuldhaftes Verhalten des Bauunternehmers geknüpft wird. Eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafenregelung widerspricht den Regelungen des AGB-Rechts und ist daher unwirksam. Die Folge hieraus ist, dass der Auftraggeber keine Vertragsstrafe durchsetzen kann. Vorstehende Regelungen gelten bei Vereinbarung eines Bauvertrages nach dem BGB. Nach § 11 Abs. 1 VOB/B gilt ebenfalls, dass Vertragsstrafen ausdrücklich im entsprechenden Vertrag zu regeln sind. Die Vereinbarung der Regelungen der VOB/B genügt nicht, um eine Vertragsstrafe durchsetzen zu können. Diese muss ausdrücklich im entsprechenden VOB-Vertrag festgehalten werden. Grundsätzlich gilt, dass eine Vertragsstrafe dann entfallen kann, wenn der Bauunternehmer zwar im Leistungsverzug ist, dieser jedoch auf ein Verschulden des Auftraggebers selbst zurückzuführen ist.

Praxistipps für Bauherren

1. Werkverträge nach Möglichkeit immer schriftlich vereinbaren unter Benennung von Terminen, zumindest für die Fertigstellung. 2. Exakte, kalendermäßig bestimmte Termine vereinbaren, nicht ca. Termine (Beispiel: „Fertigstellung in ca. 5 Wochen“) 3. Nach Fristablauf konsequent im vorstehenden Sinne handeln und Diskussionen über Fertigstellungszeitpunkte vermeiden, da sich dies nachteilig auf den Zeitplan des Auftraggebers auswirkt.

Entschädigungsansprüche für Auftragnehmer

Auch Auftragnehmer haben einen Entschädigungsanspruch bei Bauverzug! Das Kammergericht hat mit Urteil vom 29.01.2019 (21 U 122/18) klargestellt, dass der Bauunternehmer als Auftragnehmer lediglich unter klaren Voraussetzungen einen Entschädigungsanspruch gegenüber dem Auftraggeber aufgrund der Bauzeitverlängerung durchsetzen kann. Im Überblick lassen sich folgende Voraussetzungen aufführen, die für eine erfolgreiche Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs gegenüber dem Auftraggeber vorliegen müssen: 1. Anbieten der Leistung Der Auftragnehmer ist verpflichtet, dem Auftraggeber gegenüber seine Leistung auf der Baustelle anzubieten. Dies bedeutet, dass der Auftragnehmer ständige Bereitschaft zur Leistungserbringung zeigen muss. Die Erfüllung dieser Voraussetzung könnte beispielsweise dadurch erfüllt werden, dass der Bauunternehmer sich und seine beschäftigten Mitarbeiter in der notwendigen Personenzahl vor Ort bereithält. In der Praxis dürfte diese Variante wohl eher unbedeutend sein. Für den Auftragnehmer besteht ebenfalls die Möglichkeit, gegenüber dem Auftraggeber schriftlich anzuzeigen, dass er sämtliche Materialien und Arbeitskräfte zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen bereithält. Hierbei sollte der Unternehmer konkret ausführen, wie viele Personen er in welchem Zeitraum für den Auftraggeber bereithält, um seine Werkleistung erfüllen zu können. 2. Dokumentation der Stillstands Zeiten Der Unternehmer unterliegt der Beweislast dafür, nachweisen zu können, welche Arbeitskräfte er innerhalb welchen Zeitraums anderweitig hätte einsetzen können. Der Unternehmer ist in der Verpflichtung, sämtliche Aufwendungen und Mehrkosten plausibel und transparent offen zu legen und gegenüber dem Auftraggeber aufzuzeigen; nur in diesem Falle hat der Auftragnehmer die Möglichkeit, Mehrkosten durch eine verlängerte Bauzeit ersetzt zu bekommen. Die Voraussetzung der Dokumentation der Stillstands Zeiten und der Nachweis darüber, in welcher Form die Mitarbeiter anderweitig hätten eingesetzt werden können, stellt in der Praxis die häufigste Schwierigkeit dar.

Handlungsempfehlung für Auftragnehmer

Es bleibt festzuhalten, dass der Bauunternehmer vollständig dafür verantwortlich ist, den Nachweis führen zu können, dass ihm der Entschädigungsanspruch zusteht. Hierfür ist eine klare und transparente Dokumentation folgender Voraussetzungen notwendig: – Dokumentation über die Bereitstellung der Arbeitskräfte für den Auftraggeber – Konkreter Nachweis darüber, dass der Unternehmer die Arbeitskräfte anderweitig (andere Baustelle) hätte einsetzen können, dies jedoch allein aufgrund des Umstands unterblieben ist, da er diese Arbeitskräfte für den Auftraggeber vorhalten musste Soweit der Bauunternehmer diesen Nachweis führen kann, hat er gute Möglichkeiten, den durch die Bauzeitverlängerung entstandenen Schaden vom Auftraggeber ersetzt zu bekommen. Unsere Beratungspraxis zeigt täglich, dass die Schwierigkeit im Einzelnen darin liegt, dass die Bauunternehmer keine ausreichende schriftliche Dokumentation führen. Wir halten Sie als Bauunternehmer und Auftragnehmer eines Bauvertrages daher an, sämtliche relevanten Arbeitsabläufe schriftlich zu dokumentieren, um spätere Ansprüche durchsetzen zu können.

Autor: Finn Streich

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