Sep 29, 2022 | Privates Baurecht

Stornierung Bauvertrag

Kann man seinen Bauvertrag kurzfristig stornieren?

So einfach Bauen in den letzten Jahrzehnten in Deutschland war, so schwierig ist es heute plötzlich geworden. Die einst gute Zinslage und uneingeschränkte Verfügbarkeit von Baumaterialien und Waren aller Art sind passé; seit der Coronapandemie und dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine plagen uns erhebliche Preissteigerungen, die nicht zuletzt durch Materialengpässe und Lieferschwierigkeiten verursacht werden.

Viele Bauherren fragen sich nun, ob ihr jüngst geplantes Hausbauprojekt in Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Lage ins Wanken gerät oder gar leichtsinnig ist. Der Eine sorgt sich um die Finanzierungsmöglichkeiten und fürchtet enorme Kostenerhöhungen, der Andere befürchtet eine „Never-ending-Story“, da benötigte Baumaterialien nicht oder kaum verfügbar sind und bereits jetzt klar ist, dass Termine und Bau Ziele nicht oder erst deutlich später erreicht werden können. Aus diesem Grund beschäftigen sich Bauherren gedanklich mit dem Thema „Stornierung Bauvertrag“. Wir geben Ihnen hier eine Übersicht hierzu.

Das Wichtigste zusammengefasst

  • für eine Vertragsbeendigung müssen schwerwiegende Gründe (vertragliche Pflichtverletzung, Schlechtleistung) vorliegen, allein die Sorge um mögliche Risiken reichen nicht aus
  • man unterscheidet im Wesentlichen den Widerruf, die Kündigung und den Rücktritt vom Bauvertrag (eine Stornierung im eigentlichen Sinne gibt es hierbei so nicht)
  • die Voraussetzungen und die Folgen dieser genannten Vertragsbeendigungen unterscheiden sich maßgeblich
  • Verbraucherbauverträge können nur durch Verbraucher beendet werden
  • bei notariell beurkundeten Verbraucherbauverträgen (bei Bauträgerverträgen) ist ein Widerruf durch den Verbraucher nicht möglich
  • wir empfehlen dringend, vorab die Handlungsmöglichkeiten durch einen Rechtsanwalt für Baurecht prüfen und bewerten zu lassen

Der Grundsatz gilt – Verträge sind verbindlich

Jeder abgeschlossene Vertrag ist zunächst grundsätzlich für beide Parteien rechtlich bindend. Dieser zivilrechtliche Grundsatz gilt für jeden wirksam geschlossenen Vertrag. Nichtsdestotrotz sieht das Gesetz für gewisse Situationen und Sachverhalte Anpassungsmöglichkeiten für beide Seiten des Bauvertrages vor.

Möchte man aus dem kürzlich abgeschlossenen Bauvertrag möglichst schnell wieder herauskommen, sollte man als Bauherr folgende Dinge wissen:

– Was für eine Art Bauvertrag habe ich abgeschlossen?

– Was ist der Unterschied zwischen Stornierung, Widerruf und Kündigung?

– Was erwartet Bauherren nach der Kündigung?

Der Grundsatz des verbindlichen Vertragsschlusses und des verbindlichen Vertragsinhalts wird durch die Regelung des § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) aufgebrochen. Hiernach haben die Parteien des Vertrages die Möglichkeit, eine Anpassung des Vertrages vorzunehmen, wenn sich nach Vertragsschluss die Vertragsgrundlage derart schwerwiegend verändert hat, dass die Parteien den Vertrag nicht oder nur mit anderem Inhalt geschlossen hätten.

Konkret bedeutet dies, dass bei Vorliegen der speziellen Voraussetzungen des § 313 BGB der Unternehmer die Möglichkeit haben kann, Anpassungen des Vertrages in der Form zu fordern, dass er die entsprechenden Preiserhöhungen an den Auftraggeber weitergibt. Ob diese Regelung vollumfänglich zur Anwendung kommen kann und ob der Unternehmer hieraus eine Preiserhöhung fordern kann, ist eine Entscheidung des Einzelfalls. Diese richtet sich insbesondere nach der entsprechenden Vertragsart und dem vereinbarten Vertragsinhalt.

Störung der Geschäftsgrundlage bei Pauschalpreisvertrag?

Bei einem Pauschalpreisvertrag trägt der Unternehmer das so genannte Beschaffungs- und Preisrisiko. Der Unternehmer hat keinen Anspruch auf eine Preisanpassung, wenn eine solche nicht ausdrücklich vertraglich vereinbart wurde. Sollte innerhalb des Pauschalpreisvertrages eine sogenannte Preisgleitklausel enthalten sein, so kann bei Vorliegen dieser Voraussetzung der Unternehmer eine Preisanpassung fordern. In allen anderen Fällen ist der Unternehmer jedoch an seinen Pauschalpreis gebunden, er kann Materialpreiserhöhungen oder sonstige Preissteigerungen nicht an den Auftraggeber weiterreichen.

Wer trägt das Preisrisiko beim Einheitspreisvertrag?

Anders kann die Situation bei einem sogenannten Einheitspreisvertrag aussehen. Bei einem solchen Vertrag haben die Parteien des Bauvertrages vereinbart, dass die Preisermittlung durch Erstellung eines Aufmaßes und die Abrechnung durch Ermittlung der entsprechenden Mengen erfolgt. Die Parteien haben hierbei im Rahmen des Vertrages lediglich die Einheitspreise festgelegt. Die Mengen der jeweiligen Einheiten werden durch das erstellte Aufmaß ermittelt und abgerechnet. Bei einem Einheitspreisvertrag trägt der Auftraggeber das Preisrisiko.

Stornierung Bauvertrag und die Rückabwicklung 

Im Rahmen unserer langjährigen Beratung erreichen uns täglich Fragen, wie der Bauvertrag nach Abschluss und Unterschrift nachträglich noch „storniert“ werden kann. Eine Stornierung des Bauvertrages in diesem Sinne gibt es rechtlich nicht. Es wird hierbei zwischen dem Widerruf des Vertrages, der Kündigung und dem Rücktritt unterschieden.

Widerruf des Bauvertrages möglich

Wurde der Verbraucher über seine Widerrufsrechte und Möglichkeiten vom Unternehmer spätestens bei Abschluss des Vertrages belehrt, so steht ihm nach § 650l BGB ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu. Die Frist beginnt ab Vertragsschluss und damit ab Unterschriftsdatum zu laufen. Sollte der Unternehmer die Aufklärung über die Widerrufsmöglichkeiten unterlassen haben, was immer wieder der Fall ist, so verlängert sich das Widerrufsrecht zugunsten des Verbrauchers auf eine Dauer von zwölf Monaten und 14 Tagen.

Eine Ausnahme besteht bei Verbraucherverträgen dann, wenn diese notariell beurkundet worden sind. Dies ist regelmäßig bei sogenannten Bauträgerverträgen der Fall. Hier verpflichtet sich der Unternehmer nicht nur zur Erbringung der entsprechenden Bauleistungen, sondern auch zur Übertragung des Eigentums am betreffenden Grundstück. Durch diese Eigentumsübertragung ist zwingend eine notarielle Beurkundung erforderlich. In diesen Fällen steht dem Verbraucher kein Widerrufsrecht zu.

Kündigung des Bauvertrages – für den Auftraggeber jederzeit möglich

Eine weitere Möglichkeit sich vom Bauvertrag zu lösen ist die Kündigung des Vertrages. Eine solche Vertragskündigung ist für den Auftraggeber jederzeit möglich. Der Auftraggeber hat folgende Möglichkeiten der Vertragskündigung:

– Freie Kündigung § 648 BGB
Nach § 648 BGB hat der Auftraggeber jederzeit die Möglichkeit, ohne Angaben von Gründen den geschlossenen Vertrag mit dem Unternehmer zu kündigen. Bei dieser sogenannten freien Kündigung muss der Auftraggeber jedoch beachten, dass er in diesem Fall dem Unternehmer einen entgangenen Gewinn von 5 % für die vertraglich vereinbarte und noch nicht erbrachte Leistung schuldet. Diese Kündigungsart ist daher regelmäßig mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen verbunden, die der Bauherr vor Ausspruch der Kündigung beachten und bewerten sollte.

– Kündigung aus wichtigem Grund § 648 a BGB
Neben der freien Kündigung steht dem Auftraggeber bei Vorliegen der speziellen Voraussetzungen das Recht der Kündigung aus wichtigem Grund nach § 648a BGB zu. Dieses Recht steht auch dem Unternehmer zu, im Gegensatz zur Kündigung nach § 648 BGB, die nur für den Auftraggeber möglich ist.

Um eine Kündigung aus wichtigem Grund aussprechen zu können, muss ein wichtiger Grund in Form einer Pflichtverletzung vorliegen. Allgemein gültig lässt sich der wichtige Grund dahingehend beschreiben, dass dem Auftraggeber (bzw. dem Auftragnehmer) als kündigendem Vertragspartner die Fortsetzung am Vertrag bis zur Fertigstellung des Werkes nicht mehr zugemutet werden kann.

Für den Auftraggeber kann dies beispielsweise der Umstand sein, dass der Unternehmer grundlos seine Bauleistungen eingestellt hat oder seine Werkleistungen derart mangelhaft sind, dass eine Fortsetzung des Bauverfahrens nicht zugemutet werden kann. Für den Auftragnehmer kann ein wichtiger Grund in der Form vorliegen, dass der Auftraggeber seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Dies gilt auch für die geforderten und geschuldeten Abschlagszahlungen.

Rücktritt vom Vertrag

Der Rücktritt vom Vertrag kann ausschließlich bei Vorliegen der besonderen Rücktrittsvoraussetzungen geltend gemacht werden. Der Rücktritt knüpft regelmäßig an eine ansprechende Vertragspflichtverletzung an. Sofern eine Vertragspartei die vertraglich übernommene Verpflichtung nicht vollständig oder gar nicht mehr erbringt, steht dem anderen die Möglichkeit des Rücktrittsrechts zu.

Für den Auftraggeber bedeutet dies konkret, dass er vom Rücktrittsrecht lediglich dann Gebrauch machen kann, wenn der Unternehmer eine entsprechende Schlechtleistung vornimmt. Eine Vertragsbeendigung aufgrund gestiegener Preise oder sonstiger Mehrkosten ist durch Rücktritt regelmäßig nicht möglich.

Folgen der Vertragsaufhebung und Handlungsempfehlung

Die Folgen der Vertragsaufhebung hängen maßgeblich vom entsprechenden Instrument der Vertragsbeendigung ab. Wie bereits vorstehend ausgeführt ist die Kündigung des Auftraggebers ohne wichtigen Grund mit maßgeblichen wirtschaftlichen Folgen verbunden.

Nicht nur der entgangene Gewinn gegenüber dem Bauunternehmer ist hierbei zu berücksichtigen, sondern auch fällig werdende Bereitstellungszinsen bei der finanzierenden Bank. Weitere Schadensersatzansprüche stehen nach wie vor im Raum, die je nach Einzelfall in Betracht kommen könnten.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass bei Vertragsbeendigung das Bauverfahren durch einen Drittunternehmer fortgeführt werden muss, sofern wesentliche Leistungen noch nicht erbracht sind. In der Praxis stellt sich die Situation überwiegend schwierig dar, einen Bauunternehmer zu finden, der eine mangelhafte Leistung fertig stellt. Der Drittunternehmer möchte die Haftung der bereits erbrachten mangelhaften Leistung nicht übernehmen. Der Drittunternehmer geht regelmäßig erhöhte Risiken ein, wenn er ein bereits begonnenes und mangelhaft erbrachtes Bauwerk fortsetzen soll.

Der Drittunternehmer wird in diesem Fall eine entsprechende Haftungsfreistellung für bereits erbrachte Leistungen vom Bauherren fordern. Dieser Umstand ist wiederum mit entsprechenden Nachteilen für den Bauherrn verbunden, da die gesamte Gewährleistung nicht vom neuen Unternehmer übernommen wird und der Bauherr somit nach wie vor auf den alten Bauunternehmer angewiesen ist, was grundsätzlich nicht das Interesse des Bauherrn sein wird.

Vor dem Hintergrund der möglichen wirtschaftlichen Folgen sowie der damit einhergehenden Begleitumstände des Drittunternehmers empfehlen wir unserer Mandantschaft, anstatt einer schlichten Stornierung bzw. Kündigung des Bauvertrages den Versuch zu unternehmen, eine Aufhebungsvereinbarung bzw. Abwicklungsvereinbarung für das Bauvorhaben mit den betroffenen Parteien zu treffen. Im Rahmen einer solchen Vereinbarung besteht die Möglichkeit, Haftungsregelungen für erbrachte Leistungen, eine konkrete Leistungsabgrenzung für neu zu erbringende Bauleistungen zugunsten des Drittunternehmers sowie entsprechende Vergütungsregelungen der Leistungen zugunsten des Bauherrn zu treffen.

Autor: Finn Streich

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